directors lounge monthly screening
chris henschke
experimental capture
Donnerstag, 29. August 2013
21:00
Z-Bar
Bergstraße 2
10115 Berlin-Mitte
Chris Henschke war Artist-in-Residence am Australischen Synchrotron in den Jahren 2007/8 und 2010 und seine Arbeit wurde seither stark beeinflußt durch die Zusammenarbeit Tisch an Tisch mit den dortigen Wissenschaftlern. Vor kurzem wurde er auch ins CERN in die Schweiz eingeladen, welches wegen der möglichen Entdeckung des Higgs-Bosons erst in den Schlagzeilen war. Henschke sieht viele Ähnlichkeiten zwischen den Arbeiten von Wissenschaftlern und Künstlern, aber er erkennt auch einen wesentlichen Unterschied in der Wahrnehmung von Experimenten: “Empirische Wissenschaft basiert auf Beobachtungen und Messungen von wiederholbaren Experimenten; andererseits, in einem phänomenologischen Sinne ist jedes Experiment und jede Beobachtung einzigartig."
In seiner Arbeit dokumentiert Henschke einerseits seine Erfahrungen am Synchrotron, kombiniert sie mit visuellen Beobachtungen und editiert diese wiederum auf experimentelle Weise. Andererseits begann er seine eigenen Experimente mit unterschiedlichsten Objekten unter Hochspannungsentladungen. Und drittens, und eventuell eine andere Art des Experimentierens, spielt er elektronische Musik und erzeugt von der Musik beeinflußte visuelle Effekte, die Kamerabilder verändern.
Schon vor seinem Aufenthalt am zeitgenössischen Teilchenlabor Synchrotron war Chris Henschke an obskurer Wissenschaft und dunklen Technologieergebnissen interessiert, so dass er in dem fortgeschrittensten Labor der Physikforschung ebenfalls Mysteriöses entdeckt. Zeitgenössische Physikwissenschaftler haben das Problem, dass ihre Forschungen ganz auf mathematischen Gleichungen und penibel genauen Messungen beruhen und fast unmöglich mit Worten oder Bildern zu beschreiben sind. Wenn wir an den bahnbrechenden aber nicht ganz sicheren Nachweis des Higgs-Bosons denken: das plastischste Bildmaterial, das die Forscher hatten, war ein Wahrscheinlichkeitsdiagramm der emittierten Partikelenergien, in dem das nachgewiesene Teilchen irgendwie in den Korridor fiel, der für das Higgs-Boson vorausberechnet war. Dies hatte jedoch weder mit dem im Collider tatsächlich unternommenen Experiment viel zu tun, noch mit dem, was das Higgs-Boson “tatsächlich ist".
Henschkes Arbeit wurde zur experimentellen Forschung über die Bedeutung der Dinge, die im Synchrotron passieren, einer Frage, die von Wissenschaftlern normalerweise umgangen wird. Der Künstler benutzte einer Reihe unterschiedlicher Herangehensweisen. Als am wenigsten produktiv stellte sich der Versuch heraus, wissenschaftliche Software zur Visualisierung der Daten des Synchrotrons zu benutzen. Darüber hinaus nahm der Künstler jedoch 360° Fotos und Videos auf, er benutzte das Licht und die Daten, die aus dem Plasmastrahl resultierten, und es wurde ihm sogar erlaubt, den Strahl selbst für künstlerische Projekte zu benutzen. Bei seinem ersten Projekt dazu richtete er den Plasmastrahl auf eine alte Glühlampe, ein zugleich ernsthaftes und ironisches Experiment. Und sein bisher letztes Projekt am Synchrotron war das Zikaden-Experiment. In diesem Projekt ließ er die Physiker die Frequenzen des pulsierenden Plasmastrahls nach dem Sound einer Zikade modulieren, die er zuvor vor dem Gebäude aufgezeichnet hatte. In gewisser Weise ahmte der Strahl die außen zirpende Zikade nach, oder er antwortete auf ihren Gesang. Ironischerweise scheinen jedoch die visuell erfolgreichsten Projekte diejenigen gewesen zu sein, die algorithmische Prozesse benutzen, um reine Kameraaufnahmen zu verfremden - Algorithmen, die auf reziproken Gleichungen beruhen, wie sie für die Berechnung der Beschleunigung der Partikel auf ihrer Kreisbahn im Synchrotron benutzt werden, jedoch ohne dass konkrete Daten oder die tatsächlichen Gleichungen des Beschleunigers benutzt würden. In dieser Weise steht die visuelle Arbeit von Chris Henschke auch sinnbildlich für die Widersprüche der zeitgenössischen Teilchenphysik, wo jeder Versuch, diese Theorien zu visualisieren auf Metaphern angewiesen ist.
In seinen jüngsten Projekten hat Chris mit Algorithmen weiter gearbeitet, aber er begann auch seine eigenen physikalischen Experimente durchzuführen, die Hochspannungsentladungen und elektrische Aurorabildungen umfassen. Einerseits wurde es wichtig für ihn, wie er sagt, “etwas reales vor der Kamera zu machen", andererseits mag es auch sein, dass hier seine Faszination für unkonventionelle Wissenschaftler hervorscheint. Figuren wie Kristian Birkeland interessieren den Künstler; der Physiker der das Wesen der Aurora Borealis im hohen Norden Norwegens untersuchte, und der die Theorie aufstellte, dass Sonnenwinde aus positiven und negativen Teilchen, die über das Magnetfeld der Erde abgelenkt werden, verantwortlich sind für die bekannten Leuchteffekte am Abendhimmel. Dies wurde zu Lebzeiten Birkelands jedoch nur als Außenseitertheorie angesehen und erst nach seinem Tode anerkannt.
Es mag daher nicht verwundern, dass Chris Henschke selbst in die Rolle des verrückten Wissenschaftlers schlüpft, wenn er als VJ oder elektronischer Musiker unter dem Pseudonym “Captain Satan" auftritt. Die Präsentation in der Z-Bar setzt einen Schwerpunkt auf die Arbeiten, die in Verbindung zum Australian Synchrotron und dem CERN stehen, aber Chris Henschke wird auch eine Selektion seiner anderen Arbeiten vorstellen, die eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst herstellen.
Chris Henschke wird in das Programm einführen. Kuratiert von Klaus W. Eisenlohr
Artist Links:
http://www.topologies.com.au
http://sacrit.blogspot.de/2010/11/chris-henschkes-synchrotron-art.html
Links:
Directors Lounge
http://www.directorslounge.net
Z-Bar
http://www.z-bar.de
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