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directors lounge special screening
christina mcphee
the delicate landscape of crisis
15. April, 2011
21:00
REMISE
FREIES MUSEUM BERLIN
Potsdamer Strasse 91
10785 Berlin-Schöneberg
The Delicate Landscape of Desaster
Die zart-gebrechliche Landschaft der Katastrophe
Zum ersten Mal wird eine Zusammenschau der experimentellen Filme der in California lebenden Künstlerin Christina McPhee heute Freitag im Freien Museum gezeigt.
Christina McPhee's Videoarbeiten entstehen aus Texturen, Farben und Details der Landschaften, die sie erkundet. Durch den immersiven Charakter der Komposition entstehen ein Fluß und eine Schönheit, die für manche vielleicht sogar hypnotische Wirkung entfalten. Die Art der Montage ist sicherlich mit der durch Linienüberlagerungen entstehende Malerei der Künstlerin verwandt.
Es sind besonders zerstörte Landschaften und solche, die durch die Großtechnologien zur Energiegewinnung gezeichnet sind, die für McPhee zum Thema werden. Aufnahmen von Erdbebenzerstörungen treffen auf Bilder einer Performance an trockenen Salzseen am Rande des San Andreas Grabens ("Salt", 2004). Im Jahr 2005 trifft zum zweiten Mal innerhalb einer Dekade ein massiver Erdrutsch La Conchita, eine kleine Siedlung nördlich von Los Angeles und begräbt viele Wohnhäuser. Das Betreten des Schuttberges im Zentrum ist verboten, aber dennoch bauen die Menschen kleine Gedenkstätten, die an die hier Verschütteten erinnern und die Christina McPhee für "La Conchita Paradise" (2006) aufgenommen hat. Die San Ardo Öl Felder sind ein weiterer Ort für die Künstlerin. Der Film ist eine Komposition in Rot. Landschaft, Natur, sich bewegende Ölpumpen und spritzendes Kühlwasser werden von der Künstlerin mit Aufnahmen der bekannten Performance "Meat Joy" von Carolee Schneeman kombiniert. Öl Flecken auf Leinwand, auf Körper und auf dem sandigen Boden werden für den Zuschauer ununterscheidbar. (Meat Oil Joy Paint—A Tribute to Carolee Schneeman", 2010).
Man möchte meinen, dass die Schönheit die Christina McPhee entstehen läßt und die Themen ihrer Filme sich diametral widersprechen. Die Künstlerin würde darauf jedoch antworten, dass es ihr genau um diesen Widerspruch geht. Das Leben an der kalifornischen Küste, nahe des Big Sur, dem Küstenteil an dem sich in der Vergangenheit viele Künstler und Schriftsteller zum Arbeiten zurückgezogen haben, hat Christina für das Ausmaß der vom Menschen verursachten Zerstörung sensibilisiert, das in Orten "ferner Natur" täglich geschieht—und für die Widersprüche, die die Ausbreitung der Urbanisierung in Gebiete ehemals wilder Natur, in Wüsten, in Sümpfe und geologisch aktive Zonen hervorbringt. Nach dem Gegensatz von Schönheit und Zerstörung befragt, antwortet Christina: "Ich bewege mich eigentlich in der Tradition der Romantiker, mich interessiert das Erhabene in der Post-Natur." Die post-modernen "romantischen Ruinen" jedoch verwandeln sich in Landschaften des Traumas. Christina stellt einen Bezug mit den Filmemachern Alain Resnais und Chris Marker heraus, die jeweils eigene audiovisuelle Sprachen für traumatische Erinnerungen wie zB. Hiroshima erschufen.
"Die Zerstörung der Natur geschieht in einer Größenordnung, die wir gar nicht verstehen können." Als ein weiteres Beispiel erzählt mir die Künstlerin von dem geplantem Gebiet für eine riesige "Solar Farm" auf dem Carrizo Plain, ein intaktes Ökosystem in der Hochwüste, mit der größten biologischen Vielfalt in ganz Kalifornien. Es ist dabei noch völlig unabsehbar, wieviel ökologischer Schaden durch diese großindustrielle Ausbeutung für alternative Energie entstehen wird. "Die Weise wie wir die Natur nutzen ist völlig opportunistisch," mit geringstem Respekt für ökologischen Schutz. Ihre Filme, sagt sie, befassten sich nicht mit der Natur, sondern mit der menschlichen Beziehung zur Natur. Im Jahr 1972 schrieb Günter Anders das Buch "Die Antiquiertheit des Menschen" über die Unfähigkeit des Menschen, das Ausmaß möglicher Zerstörung moderner Technologie, insbesondere Nukleartechnologie, überhaupt zu ermessen, wenn diese einmal in Gang gesetzt wird. Vielleicht ist es diese Totalität, die die Künstlerin im Sinne hat, wenn sie ihre sehr dichten Videos komponiert.
"Ich bin ebenso opportunistisch. Ich fotografiere, was ich finde. Es ist eine Art Guerilla-Filmemachens." Das Schild "Fotografieren Verboten" läßt ihr Interesse erst erwachen und bringt sie dazu, Wege zu finden, gerade dann Filmaufnahmen zu machen. Dies trifft sowohl für die Sümpfe an der nordamerikanischen Küste zu, die vom Disaster der Ölplattform "Deepwater Horizon" betroffen sind ("Deep Horizon" 2010), als auch für das Gebiet der Zerstörung in Manhattan, N.Y., Ground Zero genannt ("Seven After Eleven", 2008). "Ich frage nie um Drehgenehmigung." Das aufgenommene Material wird dann zum Material für ihre künstlerische Arbeit. "Video hat eine ähnliche Qualität wie Farbe für Malerei." Sie konzentriert sich auf Details und Nuancen als Indikatoren für die Veränderungen der Umwelt. Sie benutzt auch wissenschaftliche Aufzeichnungen von seismischen Wellen der Erdbeben und der Nachbeben für ihren Filmsound. Der menschliche Körper, der dazwischen erscheint wird zum Signifikanten für die traumatischen Beziehungen, die die moderne Zivilisation zu verdrängen versucht. (Mike Davis, Die Ökologie der Angst 1998)
Das Unglück, das sich derzeit in den Fukushima Kraftwerken in Japan geradezu in Zeitlupe entfaltet, ist ein Beispiel dafür, wie wenig die banalen Wiederholungen der Medienbilder mit den tasächlichen Vorgängen zu tun haben. Wie können wir zu einem tieferen Verständnis des Sinns solcher Ereignisse kommen? Christina McPhee glaubt an die Möglichkeiten einer anderen Visualisierung. Die Künstlerin sucht nach Schichten von Zukunftsmöglichkeiten, die potentiell an Orten vorhanden sind, die längst hoffnungslos verloren zu sein scheinen. Sie scheint dabei auch nach einem veränderten Verhältnis des Körpers zur Post-Natur zu fragen. Wäre dies vergleichbar mit der Art Verantwortung, die die freiwilligen Helfer zeigten, die sich um die Ölverschmutzung an der Küste kümmerten, denen sich Christina anschloß, um "Deep Horizon" zu drehen?
Berlin kommt für dieses Screening nach Berlin und wird die Filme persönlich vorstellen.
Kuratiert von Klaus W. Eisenlohr
http://www.directorslounge.net
http://www.freies-museum.com/
with support from Walden http://www.galerie-walden.de/
and Galerie Suomesta http://www.suomestagalleria.net/
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