directors lounge monthly screenings
film notes and moments
von theo thiesmeier
Donnerstag, 31. Oktober 2019
21:00
Z-Bar
Bergstraße 2
10115 Berlin-Mitte
Den Filmemacher Theo Thiesmeier interessieren Alltagserfahrungen für seine Filmbilder wie auch bei seiner photographischen Arbeit. Der in Berlin lebende Künstler studierte bei Peter Kubelka in Frankfurt und bei Robert Breer an der Cooper Union, New York. Über zehn Jahre war er auch Teil des Kuratorenkollektivs Film Samstag in Berlin.
Die Kamera wird zum aktiven Betrachter, die gleichzeitig zum Dialog herausfordert. Thiesmeier sucht dabei nicht nach spektakulären Momenten, sondern er ist interessiert an alltäglichen Szenen, die wir sonst vielleicht der Beachtung gar nicht würdig fänden. Die früher analoge und heute digitale Kamera registriert ihr Subjekt durch die Bewegung und kurze Schnitte. Daraus entsteht eine besondere Art von filmischer Haptik, die sich zwischen dem Filmkorn und den verschiedenen Kamera-Blicken entwickelt. Die zum Teil in der Kamera geschnittenen Filme haben auch oft den Charakter eines Portraits, auch wenn sie sich auf eine Landschaft beziehen.
Dartmoor (1985) zeigt eine baumlose Landschaft und Felsformationen aus Granitschichten. Die Kamera bewegt sich in der Landschaft in zum Teil heftigen Bewegungen, die aber nie ziellos erscheinen. Der in das Mikrofon blasende Wind verstärkt den Eindruck von Rauheit und archaischer Schönheit.
Einige Zeilen (2012) ist dagegen eine Montage aus digitalen Stativaufnahmen, die eine häusliche Ruhe und aber auch Vergänglichkeit vermitteln. Auch hier ist der vor Ort aufgenommene Ton bildbestimmend und essentiell. Sie beginnen mit Äußerungen “des Vaters", die obwohl aus dem Off kommend, klar als diegetisch, als Teil der Handlung, erscheinen. Die Bilder, zu denen auch die ruhenden und schlafenden Hände des Vaters gehören, zeugen von einer bescheidenen aber wohl geordneten Häuslichkeit. Kleinste Bewegungen im Bild erzeugen eine getragene Ruhe, von endlicher Dauer.
Bude—Kommen und Gehen (1995/2016) kann exemplarisch stehen für Thiesmeier's Arbeit, die alltäglichen Ereignisse eine Würde gibt, ohne sie zu überhöhen. An einem wahrscheinlich lauen Sommerabend treffen sich vorwiegend Männer aber auch Frauen am Kiosk, an einer "Bude". "Man kennt sich", wenn auch eher flüchtig, beim Bierchen oder Rauchen werden Gedanken gewechselt, bei denen es weniger um den Inhalt, als um den direkten Austausch geht, verschiedene Arten der Nähe oder Distanz werden ausgedrückt. Thiesmeier dreht mit mehreren Kameras und mit Ton. Es ist erstaunlich, wie das Team, die Kamera, akzeptiert wird, und teilhaben kann an den kleinen Gesten, die ausgetauscht werden. Eine Offenheit gegenüber der Kamera, die man so heute nur noch äußerst selten erleben würde. Für kurze Momente entsteht Gemeinschaft und eine Gleichheit untereinander, von Menschen die sonst vielleicht wenig miteinander zu tun haben. Durch den Schnitt von verschiedenen Kamerablicken werden die “Protagonisten" plastisch, zu Figuren, und die Bude zur Bühne dieser Figuren.
Bilder eines, oder mehrerer Mauersegler, zeigt "Apus apus" (1985), der lateinische Name der Mauersegler. Die mit Super-8 bei Dämmerung aufgenommenen Aufnahmen sind so nah an der Grenze dessen, was die kleine Kamera technisch vermag, dass die Flugkünste der Vögel zwischen den Häusern sich eher erahnen lassen. Die Flügel schlagen zu schnell für 18/sec, und verschwinden fast zwischen den Bildkörnern des Abendgraus. Und doch wird hier das Enigma des analogen Films offenbar, das Grau des Abends zwischen den Dächern wird geradezu haptisch erlebbar, die Faszination diese Segler am Rande der Wahrnehmbarkeit zu verfolgen, und die Stimmung an solch einem stillen Abend wird fassbar.
Der beschriebene Moment in Thiesmeiers Filmen, eine Atmosphäre der Stille, des Anhaltens, ist etwas das wir nur noch selten erleben in unserer Zeit der digital reproduzierten Momenta, die auf "sozialen Medien" ständig festgehalten, "ge-shared" und "real time" empfangen werden. Dies macht die Filme von Theo Thiesmeier umso wertvoller. Der intime Kinoraum der Z-Bar ist wie geschaffen, die Notes and Moments von Thiesmeier zu sehen und zu erfahren.
Der Künstler ist für die Filmdiskussion anwesend. Kuratiert von Klaus W. Eisenlohr.
Artist Link:
www.theothiesmeier.de/
Links:
Z-Bar - http://www.z-bar.de/
Directors Lounge - http://directorslounge.net
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